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Farbtonwerte und unsere Wahrnehmung – Teil 2

Unsere rechte (visuelle) Gehirnhälfte interpretiert Licht und Schatten unbewusst. Um unseren Bildern Tiefe und Drei-Dimensionalität zu geben, ist es wichtig, Licht und Schatten authentisch zu zeichnen. In Teil 1 meines Beitrags bin ich bereits auf die verschiedenen Arten von Schatten eingegangen. In Teil 2 werde ich näher auf die Wahrnehmung an sich und auf die Bestimmung der Tonwerte eingehen.

Unsere rechte Gehirnhälfte benötigt nur wenige Hinweise, um ein räumliches Bild zu erkennen. Am deutlichsten wird das mit einem Beispiel. Zunächst zeige ich euch das Bild auf den Kopf gestellt. Achtet nur auf die Tonwerte. Sie unterscheiden sich teilweise gar nicht oder nur um Nuancen. Danach habe ich das Bild wieder richtig eingefügt. Es zeigt sich: wir sehen etwas, das eigentlich gar nicht da ist!

Selbstporträt Edward Steichen, am Kopf gestellt

Die rechte Gesichtshälfte liegt im Schatten. Dieser Bereich enthält keine Unterschiede in den Farbtonwerten. Sogar das linke Auge ist kaum gezeichnet, mit nur minimalen Hinweisen.

(Auszug aus Selbstporträt von Edward Steichen)

Selbstporträt Edward Steichen, Ausschnitt

Wir sehen keine Details, aber wir erkennen mühelos das Gesicht und den Gesichtsausdruck.

Die perfekten Schattierungen geben dem Motiv die räumliche Form. Es hebt sich ab und wirkt real.

Zum realen Zeichnen müssen wir zunächst die Farbtonwerte richtig „sehen“ lernen. Im Bild selbst, müssen wir dann nur wenige Hinweise geben, gerade genug, damit der Betrachter das Bild in seinem Kopf wieder vollständig erstellt. Unsere visuelle Gehirnhälfte vervollständigt fehlende Informationen und liebt das sogar 😉 Ein Tipp in diesem Zusammenhang ist: rechtzeitig zu stoppen! Oft versuchen wir, zu viel zu malen.

Tonwertskala

Hier ist eine typische Tonwertskala, in einer Abstufung von 1 bis 9:

Alle Farben in deinem Bild können irgendwo in diese Skala eingetragen werden. In einem Bild müssen nicht alle Tonwerte vorkommen. Viele Künstler bevorzugen eine limitierte Abstufung, denn dadurch kann ein Bild harmonischer wirken.

Zum Verständnis der Tonwerte und zum Lernen ist es am besten, ohne Farbe zu zeichnen. So wirst du gezwungen in Licht und Dunkel zu denken. Viele Künstler fertigen zu Beginn eine Skizze an und definieren die richtigen Abstufungen der Tonwerte. Am Beispiel von Tom Hoffmann, „On The Green“, 2010:

Seine Anmerkung zum Gemälde: „Solange die Tonwerte korrekt sind, können die Farben übertrieben werden. Ich wollte mit den Farben die enorme Energie der Landschaft vermitteln.“ Die Struktur wird durch die Tonwerte bestimmt.

Also: Übung macht den Meister! Und man kann ja auch bei einfachen Bildern das Prinzip des Schattens verwenden und einen leichten 3-D-Effekt hineinzaubern 😉

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