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Übung kopfüber zeichnen

Zeichnen lernen – wie unser Gehirn funktioniert

Es gibt bereits unzählige Bücher und Blogs zum Thema Zeichnen lernen. Was unterscheidet also meinen Beitrag von den anderen? Ganz einfach: wenn ihr versteht, wie unser Gehirn funktioniert, dann könnt ihr in relativ kurzer Zeit riesige Fortschritte beim Zeichnen machen. Ich weiß wovon ich rede, da ich es selbst vor kurzem ausprobiert habe.

Symbolhaftes Denken

Zeichne beispielsweise aus dem Gedächtnis ein Haus mit Gartenzaun und Baum daneben. Kein Problem, denkst du dir? Und nach kurzer Zeit sieht deine Zeichnung genauso aus, wie du sie bereits in der Volksschule hunderte Male gezeichnet hast? Genau das ist das Kernproblem: wir zeichnen nicht was wir sehen, sondern verwenden Symbole aus unserer Kindheit. Zeichnen lernen bedeutet im Wesentlichen Sehen lernen.

Unterschied zwischen rechter und linker Gehirnhälfte

Bei den meisten Menschen ist die linke Gehirnhälfte für das logische, analytische Denken zuständig, die rechte Gehirnhälfte hingegen für die optische Wahrnehmung. (Bei manchen Menschen ist es genau umgekehrt, es gilt analog aber das Gleiche). Visuelle Eindrücke werden auf zwei Arten verarbeitet: Zunächst ist die rechte Gehirnhälfte an der Reihe und führt uns „gefahrenlos“ durch die Welt. Sie erfasst ununterbrochen Formen, Größenverhältnisse, Abstände, Helligkeiten, etc. Diese Eindrücke werden im nächsten Schritt gemeinsam mit den weiteren Sinneseindrücken von der analytischen Hälfte verarbeitet. Die Daten werden komprimiert, benannt und symbolhaft abgespeichert (Baum, Haus, Auto..).

Die analytische Gehirnhälfte ist jedoch äußerst dominant und übernimmt auch Aufgaben, für die sie gar nicht geeignet ist, wie zum Beispiel das Zeichnen. Und hier entsteht das Problem. Versuchen wir nun ein Gesicht zu zeichnen, so sucht die linke Gehirnhälfte das Symbol für Augen, Nase, Mund usw. heraus und die resultierende Zeichnung sieht in etwa so aus:

Symbolhaftes zeichnen
Symbolhaftes zeichnen

Auch wenn wir versuchen, detaillierter zu malen, wird das Gesicht zwar Wimpern, Augenbrauen oder Falten bekommen, aber trotzdem symbolhaft bleiben.

Zeichnen mit der visuellen Gehirnhälfte

Die Lösung: wir müssen die analytische Gehirnhälfte zurückdrängen! Am besten gelingt dies mit Aufgaben, die sie schlichtweg verweigert:

  • kopfüber zeichnen
  • „Blind“ Konturen-Zeichnen (siehe meinen Beitrag: stop, look, breathe, create)
  • Negativen Raum zeichnen (das „Nichts“ um das Objekt herum)

Übung: „kopfüber“ zeichnen

Im Buch „Drawing on the right side of the brain“ von Betty Edwards ist dazu eine spannende Übung enthalten. Versuche in Ruhe das folgende Bild abzuzeichnen.

  • kein Handy, keine Störung für mindestens 30 bis 40 Minuten!
  • Zeichne nur die Linien nach – du kannst beginnen wo du willst.
  • Konzentriere dich nur auf die Linien und Formen. Es funktioniert am besten, wenn du nicht weißt was du nachzeichnest!
Übung kopfüber zeichnen
Übung kopfüber zeichnen

Dreh deine Zeichnung und das Original-Bild um. Ich bin mir sicher, du bist überrascht, wie gut dir die Zeichnung gelungen ist 😉 Bei Neulingen werden die „kopfüber“-Zeichnungen meist besser als die „normalen“. Wie kann das sein? Ganz einfach: Die visuelle, rechte Gehirnhälfte hat die Aufgabe übernommen (die analytische, linke Hälfte verweigert das meist sofort, da aus ihrer Sicht völlig sinnlos)

Für realistisches Zeichnen ist also das bewusste Wechseln in die visuelle Gehirnhälfte wichtig. Damit dies leichter gelingt, ist es gut zu wissen, wie es sich anfühlt.

Wie fühlt sich Zeichnen mit der visuellen Gehirnhälfte an?

  • Kein Zeitgefühl. Du kannst nach der Zeicheneinheit nicht sagen, wie lange sie gedauert hat. 5 Minuten, 30 Minuten, alles wäre möglich.
  • Keine verbale Wahrnehmung. Du kannst nicht gleichzeitig auf Gesprochenes hören.
  • Den Unterschied kennst du wahrscheinlich vom Autofahren. Sind viele visuelle Eindrücke zu verarbeiten, dann kannst Du dich nicht auf Gespräche mit deinem Mitfahrer oder auf Telefonate konzentrieren. Beides gleichzeitig ist nicht möglich.

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